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Rezension: Der Fuß weiß alles- Markus Scheer- Ecowin

Die Autoren dieses spannend zu lesenden Buches sind der orthopädische Schuhmachermeister Markus Scheer aus Wien und der in Polen geborene Journalist Wojciech Czaja, der ebenfalls in Wien lebt und dort  als Buchhautor und Zeitschriftenmacher tätig ist. Marcus Scheer kann auf eine 200 jährige Geschichte seiner Schuhmacherfamilie zurückblicken und verdeutlicht, dass für ihn sein Handwerk neben dem Können viel Psychologie und Philosophie beinhaltet.

"Woher kommt der Schuh? Und warum verhüllen wir eigentlich unsere Füße?", fragt er eingangs und erzählt alsdann die Entstehungsgeschichte des Schuhs und hier, dass die Menschen bereits seit der Steinzeit Leder als Material für Schuhe verwenden. Es ist schon bemerkenswert, dass sich Form, Funktion und Produktion des Schuhs in allen Jahrtausenden verändert und weiterentwickelt haben, das Material aber immer gleich geblieben ist. Dafür gibt er Gründe, die man im Buch erfährt und die ich hier nicht vorwegnehmen möchte. 

Erst ab dem 18. Jahrhundert übrigens hat man damit angefangen linke und rechte Schuhe zu unterscheiden und spiegelgleich auszuführen. Von da an begann eine neue Ära der Schuhkultur, die sich seither mehr an der Geometrie des Fußes orientiert und sich den Gegebenheiten im Alltag anpasst. 

Man erfährt wie der Schuh zum Statussymbol wurde und welche Schuhe Herrscherhäusern vorbehalten waren aber auch, dass es in der Scheer-Galerie eine große Auswahl historischer Schuhe zu besichtigen gibt. Dass der "Budapester" ursprünglich ein Damenschuh war, wusste ich bislang nicht. 

Scheer schreibt, was ein Schuh alles zu leisten vermag, so kann er das Gehtempo beschleunigen oder verlangsamen. Er ist in der Lage Defizite zu kompensieren, Fehler zu korrigieren, Muskeln zu aktivieren. Dazu kommt, dass eine Reihe von Parametern, die im Buch genannt werden, die Statur des Schuhträgers beeinflusst. Bemerkenswerterweise ist ab dem 19. Jahrhundert die Absatzhöhe bei Männern zurückgegangen, während sie bei Damen zunahm. 

Weiter liest man Wissenswertes zur sogenannten Schusterkugel und  über Leistenpaare berühmter Persönlichkeiten, die heute im Hause Scheer in speziellen Schränken aufbewahrt sind. Man staunt, wer alles zu den Kunden der Manufaktur zählte,  so etwa österreichische Kaiser, Adelige, Großindustrielle, Künstler, Erfinder, Komponisten aber natürlich auch Bürgerliche. Zu einigen Kunden gibt es noch Original-Maßblätter, Maßskizzen, Anmerkungen und Lieferadressen. 

Markus Scheer philosophiert viel über den nackten Fuß, der ihn aus unterschiedlichen Gründen fasziniert. Er sagt, einen Fuß anzuschauen, ihn abzutasten, ihn mit jeder Fingerkuppe zu erspüren, sei ein schöner Prozess. Er möchte Füße verwöhnen mit allen Mitteln, die einem Schuhmacher zur Verfügung stehen.  Dabei besteht seine Vision darin, dass wir ein gesteigertes Körperbewusstsein entwickeln und den Fuss endlich in den Lebensalltag integrieren. 

Der Schuhmachermeister informiert vom Leisten bis zur letzten Politur und verdeutlicht das Können eines guten Schuhmachers, der gemeinsam mit seinen Mitarbeitern jährlich 300 Paar Schuhe herstellt. 

Nach der informativen und dabei schönen Lektüre, weiß man mehr über Schuhe, auch was uns  diese über ihren Träger erzählen und  was wir von Schuhen lernen können. 

Ein wirklich empfehlenswertes Buch

Helga König

Überall im Fachhandel erhältlich

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